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Mehr Sicherheit im Unterricht

BzDie Richtlinie zur Sicherheit im Unterricht, kurz RiSU, ist redaktionell überarbeitet und neu veröffentlicht worden. Was sich gegenüber der Vorgängerversion geändert hat, was genau sie regelt und wie sie am besten im Schulalltag eingesetzt werden soll, erläutert Hans Joachim Bezler, Oberstudiendirektor a.D. Er ist zudem Fachberater für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit beim Hessischen Kultusministerium, einer der Autoren der RiSU und zuständig für die Redaktion.

Die Richtlinie zur Sicherheit im Unterricht (RiSU) ist kürzlich redaktionell überarbeitet und veröffentlicht worden. Was hat sich gegenüber der Vorgängerversion verändert?

Erhebliches und Umfangreiches, insbesondere Tätigkeiten mit Gefahrstoffen betreffend! Bisher wurden Gefäße, in denen Gefahrstoffe aufbewahrt wurden, nach nationalem Recht mit Gefahrensymbolen  und Risiko- und Sicherheitssätzen, besser bekannt als R- und S-Sätze, als Risiko- und Sicherheitshinweisen versehen. Zum Beispiel das „Andreaskreuz“  zusammen mit dem Kennbuchstaben Xn für „gesundheitsschädlich“ oder der „Totenkopf“ mit den Kennbuchstaben T oder T+ für „giftig“ oder „sehr giftig“, aber auch zum Beispiel „krebserzeugend“ waren uns allen bekannt.

Doch dann kam GHS…                       

Genau, durch das neue „global harmonized system“ (GHS) sind die Gefahrensymbole mit den R- und S-Sätzen verschwunden. Stattdessen wurden Piktogramme mit H- und P-Sätzen, also Gefahren- und Sicherheitshinweisen, installiert, die allerdings nicht 1:1 die bisherigen Zuordnungen umsetzen konnten. Die Kriterien für die Zuordnungen zu Einstufungen wurden nämlich verschoben. Im Ergebnis erhielten alle gesundheitsschädlichen und toxischen Stoffe mit weiteren drei Kategorien sowie die Gruppe der karzinogen, mutagen oder reproduktionstoxisch wirkenden Stoffe die GHS-Zeichen für „Akute Toxizität“, oder „Gesundheitsgefahr“. Die Verschiebung der Einstufungskriterien hatten auch Auswirkungen auf die bisherige Zuordnung zu schulischen Tätigkeitsbeschränkungen. Zwar wurden diese und andere, zum Teil damit einhergehenden erforderlichen Anpassungen in der letzten Version der RiSU bereits vorbereitet, durch die Struktur der RiSU bedingt, mussten allerdings zwingend Umschichtungen und Anpassungen erfolgen, damit Rechtssicherheit gewährleistet ist.

An wen richtet sich die RiSU? An alle Lehrkräfte oder nur an Schuldirektoren?

Die RiSU richtet sich an die Schulleitungen und die Lehrkräfte gleichermaßen. Zunächst steht allerdings immer die Schulleitung in der Verantwortung, die Regelungen umzusetzen oder umsetzen zu lassen. Für beide Situationen stellt die RiSU umfangreiche Vorlagen zur Verfügung: unter anderem Checklisten, Übersichten für Handlungsanweisungen und Vorlagen für die Pflichtenübertragung.

Welchen Zweck verfolgt die RiSU?

Das staatliche Regelwerk und das des Unfallversicherungsträgers sind außerordentlich umfangreich und selbst erfahrenen Betroffenen wie etwa Chemielehrern, Sammlungs- oder Schulleitern  oft nur schwer zugänglich. In der RiSU sind daher alle Vorschriften und Regelungen, die die Sicherheit im Unterricht naturwissenschaftlicher Fächer, in Technik/Arbeitslehre, Hauswirtschaft, Kunst und Musik der allgemeinbildenden Schulen und der beruflichen Gymnasien, sowie die der allgemeinbildenden Fächer berufsbildender oder beruflicher Schulen betreffen, zusammengefasst und aufbereitet.

Was regelt die Richtlinie?

Die RiSU enthält in ihrem Teil I die für den soeben genannten Geltungsbereich verbindlichen Regelungen, die auf der Grundlage der einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften umzusetzen sind. In ihrem Teil II erfolgen Hinweise und Ratschläge, die Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern ein sicherheitsbewusstes und umweltgerechtes Verhalten in der täglichen Schulpraxis erleichtern sollen, also eine Auswahl konkreten Handelns einer guten Laborpraxis.

In einem Teil III werden Ãœbersichten, Tabellen, Vorlagen, Quellen und Literaturhinweise etc. vorgelegt, die die Umsetzung der Regelungen im Teil I und die erfolgten Hinweise im Teil II umsetzen helfen sollen.

Wie würden Sie das typische Einsatz- und Verwendungsszenario der RiSU beschreiben?

Die RiSU ist einerseits ein Nachschlagewerk, soll aber auch auszugsweise als Vorlage dienen für erforderliches Handeln. Die Schulleitung oder die Lehrkraft finden in der RiSU zu allen sicherheitsrelevanten Sachverhalten die passende Regelung. Diese sind meist um eine konkrete Handlungsanweisung ergänzt sowie einer Vorlage, wie diese am besten umgesetzt werden kann. Ich kann es am Beispiel der erforderlichen Gefährdungsbeurteilungen, kurz GefBU, erläutern. Im Teil I steht verbindlich, was eine GefBU ist, welchen Zielen sie dient, was zu beurteilen ist und wie verfahren werden muss.  Im Teil II gibt es zu Tätigkeiten und besonderen Versuchsbedingungen mit konkret in Frage kommenden Stoffen Sicherheitshinweise und im Teil III gibt es eine Vorlage, anhand derer die GefBU erstellt werden kann.

Aus welchem Grund wurde die RiSU überhaupt redaktionell überarbeitet?

Der wesentliche Grund war die seit dem 1. Juni 2015 vollumfängliche Inkraftsetzung der EU-Regelung zum Umgang mit Gefahrstoffen. Die  Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO/GHS) ist am 1. Juni 2015 auch für die Einstufung und Kennzeichnung von Gemischen in Kraft getreten. Zwar dürfen Gemische mit alter Kennzeichnung, die vor dem 1. Juni 2015 verpackt und gekennzeichnet waren, noch bis 1. Juni 2017 in den Verkehr gebracht werden, für die Schulen waren schon deshalb Anpassungen des bisherigen Regelwerkes erforderlich. Hinzu kamen eine Reihe von nationalen Änderungen von Gesetzen, Verordnungen und Technischen Regeln, die zum Teil wegen der europäischen Verordnung anzupassen waren. Dieses betraf insbesondere die Gefahrstoffverordnung, die allerdings wohl erst im Verlaufe des Jahres 2016 ihre endgültig novellierte Fassung erhalten wird, die TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ – hier insbesondere der entzündbaren Flüssigkeiten, aber auch zum Beispiel die Biostoffverordnung.

Zu guter Letzt: Wie erlangt die RiSU in unserem föderalen Bildungssystem Rechtswirksamkeit?

Die „Richtlinien“ sind Empfehlungen der Kultusministerkonferenz, die vom Schulausschuss beschlossen werden und von den einzelnen Bundesländern in geltendes Recht umzusetzen sind. Hierfür stehen den Ländern respektive den zuständigen Ministerien verschiedene Rechtsmittel zur Verfügung. Meistens erlangt die RiSU vollumfänglich Rechtskraft durch gleitende Aktualisierungsvermerke in Verordnungen oder Erlassen. Bisweilen wird die Inkraftsetzung oder auch der Hinweise auf eine erfolgte oder zu beachtende Aktualisierung auch verbunden mit zusätzlichen Handlungsanweisungen für besondere Umsetzungen einzelner Regelungen. Grundsätzlich gilt, dass die in der RiSU im Teil I getroffenen Regelungen von den Ländern nicht „liberalisiert“, also in Teilen als unwirksam oder weniger streng erklärt werden können. Konkretisierungen oder substanzielle Verschärfungen, zum Beispiel durch Fristsetzungen für die Umsetzung einzelner Regelungen in der Praxis wären allerdings zulässig. Hiervon wird hin und wieder Gebrauch gemacht. Für das rechtssichere Handeln der schulisch Verantwortlichen ist also immer der länderspezifische Rechtstext die Grundlage. Von besonderer Bedeutung ist dabei auch ein Satz aus den Vormerkungen zur RiSU: „Änderungen staatlichen Rechts müssen ggf. zu Änderungen oder Anpassungen der in dieser Richtlinie getroffenen Regelungen führen. Hierzu sind durch die jeweiligen Länder Verfahrensweisen zu entwickeln, die eine kontinuierliche Aktualisierung gewährleisten.“

Vielen Dank für das Interview.