„Zufrieden wäre zu viel gesagt“
Thomas Lange, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der GermanFashion, Modeverband Deutschland e. V., sieht noch Klärungsbedarf bei der Umsetzung der neuen PSA-Verordnung. Welche Punkte ihn konkret stören, verrät er im Interview mit Regel Recht aktuell.
Herr Lange, Sie kritisieren die neue PSA-Verordnung. Welche Punkte stören Sie?
Wir kritisieren nicht die PSA Verordnung insgesamt. Im Gegenteil, wir begrüßen, dass die Verordnung die Inhalte der PSA Richtlinie, die seit 1989 in Kraft ist, konkretisiert und weiterentwickelt hat.
Aber es gibt Ihrer Meinung nach noch Klärungsbedarf bei der Umsetzung?
Ja, das kann man sagen. Der Hauptkritikpunkt ist, dass der Übergang von der Richtlinie zur Verordnung zwar mit einer Übergangsvorschrift versehen ist, aber die Gesetzesformulierung so unklar und widersprüchlich ist, dass es derzeit noch von keiner Seite eine rechtssichere Aussage gibt, wie diese in der Praxis umgesetzt werden soll. Wann bedarf es einer Vollprüfung und wann bedarf es nur einer vereinfachten Prüfung? Dürfen alte Baumusterprüfungen, die noch gültig sind, weiter benutzt werden? All diese Fragen sind noch nicht geklärt.
Ist wenigstens absehbar, ob und wann diese Fragen geklärt werden?
Die Europäische Kommission hat angekündigt, bis Ende des Jahres eine Klärung herbeizuführen, die „auf breite Akzeptanz stößt“.
Die neue Verordnung nimmt alle Wirtschaftsakteure in die Pflicht. Bislang mussten nur Hersteller prüfen, ob ihre PSA-Produkte den Sicherheitsanforderungen entsprechen. Künftig werden auch Händler und Importeure in die Verantwortung genommen. Sie müssen sich bei den gehandelten Produkten vergewissern, dass sie geprüft wurden und über eine entsprechende Bescheinigung verfügen. Wie groß ist dieser zusätzliche Aufwand?
Die neue Verordnung bestimmt jetzt klar, dass es weitere verantwortliche Wirtschaftsakteure gibt, die PSA auf den Markt bereitstellen. Es ist jedoch im Umkehrschluss nicht so, dass früher diese Verantwortung überhaupt nicht bestanden hätte. Sie ist aber bei der Richtlinie durch Richterrecht entstanden.
Durch die PSA-Verordnung haben wir nunmehr eine handfeste Gesetzesgrundlage, die diese Pflichten einfordert. So muss zum Beispiel der technische Händler als Wiederverkäufer prüfen, ob die von ihm weiter zu verkaufende PSA eine Herstellerinformation beigefügt ist, das CE-Kennzeichen korrekt angebracht ist und eine Konformitätserklärung ebenfalls beigefügt ist. Hat er Zweifel an der Konformität des Produkts, muss er dies den Marktaufsichtsbehörden melden.
Bislang musste eine Konformitätserklärung nur auf Verlangen vorgezeigt werden, jetzt muss sie jedem Produkt beigefügt werden. Sie kritisieren das. Was stört sie daran?
Nach der neuen Verordnung muss neben der Herstellerinformation auch die Konformitätserklärung jeder PSA beigefügt werden. Aus unserer Sicht ist das sehr bürokratisch und hat weder für den Händler noch für den Endnutzer oder die Marktaufsichtsbehörden einen ersichtlichen Nutzen. All diese Informationen ergeben sich bereits aus der beizufügenden Herstellerinformation.
Einige Schutzausrüstungen sind neu der Kategorie III zugeordnet worden. Hat das Auswirkungen auf die Hersteller?
Ja, denn der Aufwand ist für die Hersteller höher und kostspieliger. Neben der Baumusterprüfung bei einer notifizierten Stelle muss zusätzlich eine jährliche Überprüfung der Konformität der Produkte erfolgen.
Bislang galten EU-Baumusterprüfungen unbegrenzt. Gemäß der neuen Verordnung werden sie nur noch für längstens fünf Jahre ausgestellt. Was bedeutet das für die Hersteller?
Dies bedeutet für die Hersteller, dass spätestens nach fünf Jahren eine Neuüberprüfung ihrer Produkte vorzunehmen ist. Allerdings wurde in Deutschland schon seit längerer Zeit die Baumusterprüfbescheinigung nur auf fünf Jahre ausgestellt.
Die Europäische Kommission hat eine Übergangsfrist von einem Jahr für den Abverkauf von PSA nach der alten PSA-Richtlinie eingeräumt. Reicht diese Übergangsfrist aus?
Die Frist würde ausreichen, wenn gleichzeitig die Rahmenbedingungen dieser Übergangsfrist für die Industrie eindeutig wären. Daran mangelt es derzeit noch.
Welche Verbesserungen an der PSA Verordnung würden Sie sich wünschen?
Wir hätten uns einige Klarstellungen hinsichtlich der Ausnahme von Produkten gewünscht. Damit meine ich etwa, dass Produkte für die private Verwendung mit dekorativen Reflexstreifen und fluoreszierendem Material nicht in den Anwendungsbereich der PSA Verordnung fallen. Dieser Sachverhalt ist aber zumindest in den Erwägungsgründen der PSA Verordnung aufgenommen worden.
Zusammenfassend betrachtet: Sind Sie mit der neuen PSA-Verordnung zufrieden?
Zufrieden wäre zu viel gesagt, doch es hätte schlimmer kommen können. Das ein oder andere gilt es noch zu verbessern und in der Praxis unter Beweis zu stellen. Doch wir sind mit Herstellern und zuständigen Stellen in einem sehr intensiven Austausch, um Unklarheiten gemeinsam aus dem Weg zu räumen und an der einen oder anderen Stelle auch für pragmatischere Lösungen zu kämpfen. Grundsätzlich sehen wir mit der neuen Verordnung einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
Vielen Dank für das Interview.