Sturz beim Hoftorschließen kann Wegeunfall sein
Der 1952 geborene Kläger war als Schulhausmeister. Am 28. Januar 2013 wollte er gegen 6:30 Uhr mit der Arbeit beginnen. Sein Wohnhaus verließ er – wie üblich – gegen 6:15 Uhr durch die Haustür. Sein Auto war auf dem mit einem Hoftor abgegrenzten Innenhof geparkt. Er ging durch die Haustür zum Hoftor, öffnete es, fuhr sein Auto nach rechts aus dem Hof heraus und stellte es längs zur Fahrbahn unmittelbar vor dem Hoftor ab. Er stieg aus, um das Hoftor zu schließen. Als er um das Auto herumlief und sich auf der Höhe des Hecks befand, rutschte er auf dem vereisten Asphalt aus und fiel auf die rechte Schulter. Der Kläger erlitt bei dem Sturz eine schwere mehrfragmentäre Schulterverletzung (sog. knöcherne Bankart-Läsion) und musste deswegen längerfristig ärztlich behandelt werden.
Der Kläger gab gegenüber der zuständigen Unfallkasse an, für das Schließen des Hoftors (aussteigen – Weg – zurück zum Auto) ungefähr zwei Minuten gebraucht zu haben. Die Unfallkasse lehnte daraufhin Ansprüche des Klägers auf Entschädigungsleistungen ab, da das Ereignis kein Arbeitsunfall gewesen sei. Der Kläger habe den Weg zur Arbeit unterbrochen, um das Hoftor zu schließen. Nach dem Verlassen des Pkw sei er auf dem Weg zurück zum Hoftor gestürzt. Die Unterbrechung habe allein privaten Gründen gedient und sei nicht erforderlich gewesen, um den Weg zur Arbeit zurückzulegen, sodass der innere Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und der eigentlich versicherten Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bestanden habe. Die Unterbrechung könne nicht als geringfügig angesehen werden, denn das Schließen des Hoftores sei weder nur „im Vorbeigehen“ noch „ganz nebenher“ möglich gewesen. Da der Kläger sich zum Unfallzeitpunkt auf einem nicht versicherten Weg befunden habe, sei Unfallversicherungsschutz zu verneinen.
Der Kläger legte Widerspruch ein, dem die Unfallkasse nicht stattgab. In ihrer Ablehung führte sie aus, dass ein Wegeunfall nicht festzustellen sei, da Kläger sich nicht zur Arbeit sondern entgegengesetzt bewegt habe, als er gestürzt sei. Er habe sich daher auf einem grundsätzlich nicht versicherten Abweg befunden. Nach der neueren Rechtsprechung bewirke ein Richtungswechsel in die entgegengesetzte Richtung – vom eigentlichen Ziel weg – eine deutliche Zäsur, da sich die Umkehr sowohl nach ihrer Zielrichtung als auch ihrer Zweckbestimmung vom zunächst zurückgelegten Hinweg zur Arbeit unterscheide. Der Kläger habe ausschließlich aus einem privatwirtschaftlichen Beweggrund gehandelt: Er habe sein Hoftor schließen wollen, um so sein Eigentum zu schützen. Diese subjektive Handlungstendenz habe sich unmittelbar in dem objektiv beobachtbaren Verhalten niedergeschlagen. Damit habe der Kläger eine neue objektive Handlungssequenz in Gang gesetzt, die sich deutlich von dem Ziel zur Arbeit zu fahren abgrenzen lasse. Es könne auch nicht von einer geringfügigen Unterbrechung ausgegangen werden, da das Schließen des Hoftors zeitlich und räumlich kein Teil des Weges zur Arbeit sei.
Das Sozialgericht Frankfurt gab dem Kläger Recht. Der Sturz müsse als Wegeunfall anerkannt werden.  Der Kläger habe sich noch auf dem versicherten Weg zur Arbeitsstätte befunden, als er auf der Straße aus dem Auto ausgestiegen sei, um das Hoftor nach dem Ausfahren zu schließen. Er habe den versicherten Weg nur geringfügig unterbrochen, obwohl er sein Auto verlassen habe, ein paar Schritte zurückgelaufen sei und das beabsichtigte Schließen des Hoftores eigenwirtschaftlicher Natur gewesen sei. Das Schließen des Hoftores sei nur als geringfügige Unterbrechung des Hinweges zur Arbeit zu werten, da dies unmittelbar im Bereich der Straße und ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung zu erledigen gewesen wäre, auch wenn der Kläger hierfür einige wenige Schritte habe zurückgehen müssen und den Zeitaufwand inklusive Aus- und Wiedereinsteigen aus dem Fahrzeug auf zwei Minuten geschätzt habe. Dies stelle keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung auf die Arbeitsstätte dar und müsse zeitlich sowie räumlich noch als Teil des Weges nach dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit angesehen werden.
Die Unfallkasse legte gegen das Urteil Berufung ein, welche das Hessische Landessozialgericht ablehnte. Die Revision wird nicht zugelassen.
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