„Ein guter Anfang ist gemacht“
Die DIN EN ISO 45001 ist nach langem Vorlauf im März dieses Jahres endlich in Kraft getreten. Doch was genau besagt die Norm? Welche Auswirkungen hat sie auf Unternehmen und vor allem: welche Vorteile haben Unternehmen, die die Norm anwenden? Regel Recht aktuell hat nachgefragt bei Enno Thormählen, Business Manager Arbeitsschutz der TÜV Rheinland Akademie, die Mitarbeiter unter anderem zur Arbeitssicherheit  und Gesundheitsschutz schult und dafür zahlreiche Lehrgänge und Fortbildungen anbietet.
Herr Thormählen, die DIN EN ISO 45001 ist im März in Kraft getreten. Was bezweckt die Norm?
Die Norm beschreibt den Aufbau eines Managementsystems für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz für Unternehmen. Sie ist damit die weltweit erste gültige Norm für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Es gab zwar vorher schon einen britischen Standard, die BS OHSAS 18001, die auch international viel verwendet wurde. Aber eigentlich hatte sie nur Gültigkeit für Großbritannien. Und so haben wir jetzt zum ersten Mal eine Norm, die international beschreibt, wie durch ein Managementsystem der Prozess zu gesunden und sicheren Arbeitsplätze gestaltet werden kann und wie die betriebliche Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz kontinuierlich verbessert werden kann.
Welche Hilfestellung bietet die Norm Unternehmen, die ein Arbeitsschutz-Management implementieren wollen oder schon implementiert haben?
Im Grunde beschreibt die Norm einen Prozess oder ein System, wie ich zu einem besseren Arbeitsschutz kommen kann. Sie sorgt dafür, den Mitarbeitern sichere und gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Mit der Betonung der Verantwortung der obersten Unternehmensleitung für den Arbeitsschutz und der Konsultation und Beteiligung der Mitarbeiter bei Planung und Betrieb des Managementsystems werden zwei wichtige Prinzipien beschrieben, die in der Ausprägung so bisher seltener in der Praxis gelebt werden. Die Risikobetrachtung ist ein weiteres wichtiges Instrument der Norm. Zum einen, um Gefährdungen zu erkennen und zu minimieren und zum anderen, um Chancen für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu nutzen. Dabei geht es nicht nur um die Mitarbeiter selbst, sondern auch um Subunternehmer, Dienstleister oder Lieferanten, aber auch benachbarte Betriebe oder Anwohner, auf die das Unternehmen eventuell Auswirkungen haben könnte. Die Norm beschreibt ziemlich ausführlich den PDCA-Zyklus, also den Plan-Do-Check-Act-Zyklus, der ein systematisches Vorgehen von der Planung, dem Aufbau und der Implementierung des Systems und seiner einzelnen Elemente bis zur Wirksamkeitskontrolle vorsieht.  Chancen und Risiken sollen analysiert, daraus Maßnahmen abgeleitet, diese nach der Umsetzung auf ihren Erfolg überprüft und ein regelmäßiger Verbesserungsprozess installiert werden.
DIN EN ISO 45001 ist auch ein Imagefaktor
In Deutschland sind Unternehmen nicht dazu verpflichtet, diese Norm umzusetzen. Durch das Arbeitsschutzgesetz sind sie sowieso dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern sichere und gesunde Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Welche Vorteile haben Unternehmen also, wenn sie die Norm anwenden?
Zunächst einmal nimmt bei Anwendung der DIN EN ISO 45001 natürlich der Arbeitsschutzstandard zu, was immer noch der größte Vorteil für ein Unternehmen sein sollte – schließlich sind Mitarbeiter ein hohes Gut, an deren Unversehrtheit jedes Unternehmen ein großes Interesse haben sollte. Aber einen hohen Arbeitsschutzstandard zu haben ist natürlich auch ein Faktor zur Gewinnung von Fachkräften. Nach der Norm zertifiziert zu sein ist für Unternehmen ebenso ein Imagefaktor, da es Kunden und anderen Vertragspartner den eigenen hohen Arbeitsschutzstandard zeigt.
Auf Deutschland bezogen, ist die Anwendung eines Arbeitsschutz-Management-Systems, das nach der DIN EN ISO 45001 zertifiziert ist, eine gute und systematische Möglichkeit den gesetzlichen Anforderungen an den Arbeitsschutz nachzukommen und rechtssicher zu handeln. International werden mit der Norm Prinzipien für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz eingeführt, die bisher nicht in jedem Land in dem Umfang gesetzlich festgeschrieben sind.
Vorteile der DIN EN ISO 45001
Herr Thormählen, Sie hatten eingangs schon die britische Norm BS OHSAS 18001 erwähnt, die viele Unternehmen bislang angewendet haben. Worin unterscheidet sich die DIN EN ISO 45011 denn nun von britischen Norm? Außer natürlich, dass die DIN EN ISO 45001 weltweit gilt.
Ein großer Unterschied liegt im Aufbau der Norm. Sie orientiert sich wie die Managementstandards für Qualität (9001) und Umwelt (14001) auch, an der High Level Structure, was die Integration in schon bestehende Managementsysteme mit diesen Normen erleichtert – eben weil Aufbau und Struktur identisch sind. Das ist sicherlich ein ganz großer Vorteil der Norm. Weitere große Unterschiede zur BS OSHA 18001 sind die Betrachtung des Unternehmensumfeldes statt nur des eigenen Betriebes und die Einbeziehung der Mitarbeiter und Subunternehmen. Ein Managementsystem nach der BS OHSAS 18001 ist aber eine gute Basis zur Umstellung auf die ISO 45001.
Jetzt hat die Veröffentlichung der DIN EN ISO 45001 ja eine ganze Weile gedauert. Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, wurde der erste Entwurf sogar abgelehnt. Im März ist sie dann doch noch in Kraft getreten. Abschließend würde mich Ihre Einschätzung als Fachmann interessieren. Sind Sie mit der Ausgestaltung der Norm zufrieden oder hätte an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch etwas nachgebessert werden können?
Ja, das ist ein sehr langer Prozess gewesen. Im Jahr 2013 begann die Ausarbeitung der DIN EN ISO 45001, 2016 wäre man fast so weit gewesen, sie zu veröffentlichen. Doch da es zu viele Einsprüche gab, musste die Norm noch einmal gründlich überarbeitet werden, bis sie jetzt endlich veröffentlicht werden konnte.
Ein großer Vorteil ist sicher der Aufbau der Norm. Die High-Level-Struktur der DIN EN ISO 45001 erlaubt die Integration des Arbeitsschutz-Management in schon implementierte Managementsysteme wie Umweltschutz- oder Qualitätsmanagement. Die Umsetzung der Norm erfordert einen stärkeren Fokus auf die Betrachtung von Chancen und Risiken, die Einbeziehung von Subunternehmen und den Beschäftigten. Hierfür benötigen die Unternehmensleitung und die Managementbeauftragten Instrumente und Methode, die wir in unseren Seminaren vermitteln. Wichtig ist, dass die Unternehmen, die Chancen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz, die mit der Norm verbunden sind, aktiv nutzen.
Für ein erstes Resümee ist es aber noch zu früh. Die Norm ist schließlich erst seit etwas mehr als einem Monat in Kraft und es haben sich auch noch keine Unternehmen danach zertifizieren lassen. Aber ein guter Anfang ist gemacht und jetzt warten wir ab, wie die ersten Erfahrungen mit der Norm sein werden.
Herr Thormählen, vielen Dank für das Gespräch.