EHEC-Infektion kein Arbeitsunfall
Eine Infektion mit einem Erreger, die zu einer behandlungsbedürftigen Erkrankung führt, stellt einen Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Die Erkrankung ist jedoch nur dann als Arbeitsunfall anzuerkennen, wenn sich die Infektion bei einer versicherten Tätigkeit ereignet hat. Bei einer Versicherten, die sich mit dem EHEC-Erreger infiziert hat, ist dies nicht mit dem erforderlichen Vollbeweis nachgewiesen. Eine Infektion bei der Nahrungsaufnahme begründe keinen Arbeitsunfall, da es sich insoweit um eine private Verrichtung handele, für die kein Unfallversicherungsschutz bestehe. Dies entschied der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Versicherte erkrankt schwer infolge einer EHEC-Infektion
Eine 1968 geborene Versicherte erkrankte im Mai 2011 an einer EHEC-Infektion und musste in der Folge intensivpflichtig stationär behandelt werden. Der EHEC-Erreger war mit hoher Wahrscheinlichkeit über aus Ägypten bezogenen Bockshornkleesamen nach Deutschland in einen Gartenbetrieb gelangt. Die Sprossen wurden auch an die Kantine des Betriebs geliefert, in welchem die versicherte Frau aus Frankfurt am Main als Wirtschaftsprüferin beschäftigt ist. Die Versicherte beantragte die Anerkennung als Arbeitsunfall. Sie habe sich entweder in der Kantine oder im Rahmen einer Schmierinfektion im Betrieb infiziert. Zahlreiche weitere Mitarbeiter hätten sich ebenfalls infiziert.
Die Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag ab. Es sei nicht bewiesen, dass sich die Versicherte am Arbeitsplatz infiziert habe. Die Nahrungsaufnahme gehöre nicht zu den unfallversicherten Tätigkeiten. Sollte sich die Versicherte durch Kontakt mit Kollegen infiziert habe, sei die Unfallkausalität ebenfalls zu verneinen. Bei allgemein wirkenden Gefahren (zum Beispiel Ansteckung mit Grippeviren, Epidemien) fehle es am rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit.
EHEC-Infektion nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen
Die Richterinnen und Richter beider Instanzen folgten der Berufsgenossenschaft und verneinten ebenfalls einen Arbeitsunfall. Es sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen, dass die Versicherte im Zeitpunkt des Unfalls – also im Moment der EHEC-Infektion – einer Verrichtung nachgegangen sei, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sei. Eine (Primär-)Infektion der Versicherten in der Kantine sei zwar ein ernsthaft möglicher Geschehensablauf. Bei der Nahrungsaufnahme in der Betriebskantine handele es sich regelmäßig aber nicht um eine versicherte Tätigkeit. Dies gelte auch, wenn der Arbeitgeber – wie im Falle der Versicherten – einen Kostenzuschuss gewähre. Eine (Sekundär-)Infektion im näheren Büroumfeld zum Beispiel durch eine Schmierinfektion im Rahmen einer versicherten Tätigkeit sei nicht nachgewiesen.
Darüber hinaus sei ein Arbeitsunfall auch nicht aufgrund einer besonderen, dem Arbeitgeber der Versicherten zuzurechnenden Betriebsgefahr anzuerkennen. Die Kantine wird von einem Dritten betrieben, sodass der Arbeitgeber der Versicherten insoweit keine besondere, typische Betriebsgefahr eröffnet habe.
Bei einer etwaigen Infektion in den betrieblichen Räumen hätte sich im Übrigen allenfalls ein allgemeines Lebensrisiko, nicht aber ein besonderes betriebliches Risiko realisiert. Zwar sei die statistische Wahrscheinlichkeit einer Infektion in den betroffenen Betriebsräumen höher gewesen als außerhalb dieser Firma. Denn es hätten sich dort zahlreiche Mitarbeiter infiziert und es sei nicht auszuschließen, dass diese auch noch nach Ausbruch der Krankheit den Erreger im Büro verbreitet hätten. Dies ändere jedoch nichts an der Bewertung als allgemeines Lebensrisiko, da insofern nichts anderes gelte als für jeden anderen Ausbruchsort des Infektionsgeschehens.
Landessozialgericht Hessen, Az. L 3 U 131/18, detailliertere Informationen finden Sie hier