„Den Arbeitgeber auffordern, Vorschriften einzuhalten“ | Regel-Recht aktuell „Den Arbeitgeber auffordern, Vorschriften einzuhalten“ – Regel-Recht aktuell
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„Den Arbeitgeber auffordern, Vorschriften einzuhalten“

In den Unfallverhütungsvorschriften und den darauf basierenden Verordnungen ist klar geregelt, was Arbeitgeber machen müssen, damit die Beschäftigten sicher und gesund arbeiten können. Doch nicht immer halten sich Arbeitgeber an Verordnungen. Welche Rechte greifen, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden, das erklärt Thorsten Blaufelder, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Welche Möglichkeiten haben Arbeitnehmer, wenn Vorschriften zur Arbeitssicherheit nicht eingehalten werden?

Wenn ein Arbeitgeber gegen seine Schutzpflichten verstößt, hat ein Arbeitnehmer grundsätzlich die folgenden Ansprüche/Rechte:

  • Erfüllungsanspruch,
  • Leistungsverweigerungsrecht,
  • Rechte aus einem Annahmeverzug des Arbeitgebers,
  • Schadensersatzanspruch,
  • Recht zur außerordentlichen Kündigung sowie
  • ein außerbetriebliches Beschwerderecht.

Im Falle von Missständen sollte der Arbeitnehmer zunächst den Arbeitgeber (schriftlich) auffordern, die Vorschriften zur Arbeitssicherheit einzuhalten. Beachtet der Arbeitgeber diese Aufforderung nicht, so steht dem Arbeitnehmer das Recht zu, die Einhaltung per Klage gegenüber dem Arbeitsgericht zu beanspruchen. In dringenden Eilfällen ist sogar an einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu denken.

Thorsten Blaufelder ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und betreibt eine eigene Kanzlei in Dornhan. Foto: Privat

Außerdem kann der Arbeitnehmer seine Arbeitskraft solange zurückhalten (Leistungsverweigerungsrecht), bis der Arbeitgeber seine Schutzpflichten erfüllt hat. Für diesen Zeitraum muss der Arbeitgeber dennoch den regulären Lohn bezahlen, weil er sich gegenüber dem Arbeitnehmer im sogenannten Annahmeverzug befindet. Neben Schadensersatzansprüchen kommt auch das Recht zur außerordentlichen Kündigung in Betracht. Allerdings muss der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber zuvor erfolglos abgemahnt haben.

Besteht ein Betriebsrat, dann kann sich der Arbeitnehmer dort beschweren, weil der Betriebsrat verpflichtet ist, zu überwachen, ob der Arbeitgeber die Arbeitssicherheitsvorschriften beachtet. Außerbetriebliche Beschwerdestellen sind die Gewerbeaufsichtsämter/Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz sowie die Technischen Aufsichtsdienste (TAD) der Unfallversicherungen.

Bin ich als Beschäftigter trotzdem gesetzlich unfallversichert, wenn ich einen Arbeitsunfall erleide, weil mein Arbeitgeber sich nicht an die Vorschriften zur Arbeitssicherheit gehalten hat?

Führt ein Arbeitsunfall zu einem Personenschaden bei einem Arbeitnehmer, tritt grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung ein. Der Arbeitgeber ist durch seine Beitragszahlung an die Berufsgenossenschaft gegenüber den Arbeitnehmern von einer Haftung befreit. Der verletzte Arbeitnehmer hat dann in der Regel nur einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Arbeitgeber bei einem Arbeitsunfall eines Mitarbeiters persönlich haftet; nämlich dann, wenn er den Arbeitnehmer vorsätzlich, das heißt absichtlich oder wissentlich verletzt. Eine vorsätzliche Verletzung liegt etwa vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer infolge eines Streites über betriebliche Belange schlägt und dabei nicht unerhebliche Verletzungen herbeiführt.

Was gilt, wenn der Arbeitgeber Sicherheitsvorschriften vorsätzlich missachtet hat? Ist die Berufsgenossenschaft dann auch von einer Haftung gegenüber dem Arbeitnehmer befreit?

Eher nicht: denn es reicht nicht aus, dass sich der Vorsatz des Arbeitgebers nur auf die Verletzung der Unfallverhütungsvorschrift bezogen hat. Der Vorsatz muss sich auch auf den Eintritt eines konkreten Schadens erstreckt haben. Das heißt, der Arbeitgeber muss die Verletzung des Mitarbeiters bewusst gewollt und gebilligt haben. Diesen Nachweis wird die Berufsgenossenschaft gegenüber dem Arbeitgeber in der Praxis kaum führen können. Damit bleibt die gesetzliche Unfallversicherung auch bei grob fahrlässigen und vorsätzlichen Vorstößen des Arbeitsgebers gegen Arbeitsschutzvorschriften eintrittspflichtig.

Mit welchen Konsequenzen muss der Arbeitgeber rechnen, wenn die Vorschriften zur Arbeitssicherheit nicht eingehalten werden und die Arbeitsbedingungen gesundheitsgefährdend bleiben?

Zum einen muss der Arbeitgeber damit rechnen, dass die betroffenen Arbeitnehmer ihre oben beschriebenen Ansprüche und Rechte außergerichtlich oder sogar gerichtlich geltend machen.

Zum anderen sind behördliche Konsequenzen möglich. Stellt zum Bespiel das Gewerbeaufsichtsamt einen Verstoß des Arbeitgebers gegen Arbeitsschutzvorschriften fest, wird es dem Arbeitgeber eine angemessene Frist setzen, in der er seine Anordnung ausführen muss. Besteht eine konkrete Gefahr für die Mitarbeiter, kann das Amt auch anweisen, dass eine Anordnung sofort umzusetzen ist. Schafft der Arbeitgeber dann immer noch keine Abhilfe, so kann die Behörde im nächsten Schritt die betroffene Arbeit unterbinden oder die Verwendung oder den Betrieb der betroffenen Arbeitsmittel untersagen. Auch Buß- und Ordnungsgelder sind möglich.

Wird ein Mitarbeiter infolge von Missständen verletzt oder sogar getötet, dann ist von strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Arbeitgeber auszugehen.

Vielen Dank für das Interview!

Die Kanzlei Blaufelder finden Sie hier: http://kanzlei-blaufelder.de/