Beinamputierter Tierpfleger obsiegt gegen Unfallkasse
Das deutsche Sozialversicherungsrecht – und damit auch der gesetzliche Unfallversicherungsschutz – gilt, soweit die Beschäftigung in Deutschland ausgeübt wird oder eine Entsendung ins Ausland vorliegt. Voraussetzung für den Versicherungsschutz bei einer Entsendung ist, dass diese zuvor zeitlich begrenzt wurde. Ferner muss ein Beschäftigungsverhältnis zu dem entsendenden Arbeitgeber vor und nach der Entsendung bestehen sowie während des Auslandseinsatzes hinreichend intensiv sein.
Eine Freistellungsvereinbarung zwischen inländischem Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließt eine Entsendung nicht von vornherein aus. Ein beim Zoo Leipzig beschäftigter Tierpfleger, der in Vietnam westliche Standards in der Tierpflege habe einführen und die vietnamesischen Tierpfleger entsprechend habe ausbilden sollen, sei entsendet worden, so dass sein dort erlittener Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen sei. Dies entschied in einem heute veröffentlichten Urteil der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts.
Tierpfleger klagt gegen Unfallkasse auf Anerkennung eines Arbeitsunfalls
Ein beim Zoo Leipzig beschäftigter Tierpfleger wurde für das Jahr 2009 für eine Tätigkeit in einem Projekt eines vietnamesischen Nationalparks freigestellt. Das Projekt wurde vom Zoo Leipzig durch Personaleinsatz gefördert. Während einer Exkursion erlitt der 1982 geborene Mann einen Unfall, in dessen Folge sein linkes Bein teilamputiert wurde.
Die Unfallkasse lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Der Tierpfleger sei bei dem vietnamesischen Nationalpark beschäftigt gewesen und gehöre daher nicht zum gesetzlich unfallversicherten Personenkreis. Der verunglückte Mann klagte und verwies darauf, dass der Zoo Leipzig, der seit 2007 Personal an den vietnamesischen Nationalpark entsende, seine Tätigkeit in Vietnam bezahlt habe.
Beschäftigungsverhältnis bestand während der Tätigkeit in Vietnam fort
Bereits im Jahre 2013 entschied das Hessische Landessozialgericht, dass ein Arbeitsunfall vorliege. Trotz der Freistellungsvereinbarung zwischen dem verunglückten Tierpfleger und dem Zoo Leipzig habe das Beschäftigungsverhältnis auch während der Tätigkeit in Vietnam fortbestanden. Das Bundessozialgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Hessische Landessozialgericht zurück. Auf der Grundlage der erfolgten Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob und ggf. zu wem der Tierpfleger zum Unfallzeitpunkt in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.
Landessozialgericht bejaht erneut Arbeitsunfall
Nach weiteren Ermittlungen stellte das Landessozialgericht erneut einen Arbeitsunfall fest. Der Tierpfleger sei auch während seines Aufenthalts in Vietnam bei dem Zoo Leipzig beschäftigt gewesen. Nach den das Gesamtbild bestimmenden tatsächlichen Verhältnissen lasse sich ein hinreichend intensives Beschäftigungsverhältnis des Tierpflegers zum Zoo Leipzig während des Auslandseinsatzes ableiten. Der Zoo Leipzig habe ein eigenes Interesse bezüglich der Arbeit des Tierpflegers in Vietnam gehabt, welcher westliche Standards in der Tierpflege habe einführen und vietnamesische Tierpfleger entsprechend habe ausbilden sollen. Deshalb habe der Zoo Leipzig einen Kontakt zu dem Tierpfleger gehalten. Aufgrund der eigenverantwortlichen Arbeit des verunglückten Tierpflegers sei es unbeachtlich, dass der Zoo Leipzig diesem keine konkreten Weisungen für die tägliche Arbeit gemacht habe. Im Vergleich zu seiner Arbeit als Tierpfleger in Leipzig sei dessen Tätigkeit in Vietnam viel anspruchsvoller gewesen, da er vor Ort allein die tierpflegerische Fachkompetenz gehabt habe und zudem für 25 lokale Tierpfleger verantwortlich gewesen sei.
Ferner habe der Entgeltanspruch des Tierpflegers auch während seines Auslandeinsatzes gegenüber dem Zoo Leipzig bestanden. Diese faktischen Verhältnisse und Abreden gingen der schriftlichen Freistellungsvereinbarung vor, nach welcher Arbeitsverhältnis und Entgeltanspruch ruhen sollte. Der Zoo Leipzig habe den Tierpfleger letztlich auch jederzeitig nach Deutschland zurückrufen können.
Hessisches Landessozialgericht, Az L 3 U 105/16 ZVW