Abweichen vom direkten Arbeitsweg kann versichert sein
Die 1978 geborene Klägerin ist seit fast 20 Jahren bei einem Juwelier beschäftigt. Auf ihrem Arbeitsweg biegt die Klägerin morgens gewohnheitsmäßig kurz vor dem Juweliergeschäft zu einem etwa 180 Meter entfernten Parkhaus ab, um sich dort mit ihrer Kollegin, der Geschäftsführerin und Besitzerin des Juweliergeschäfts, zu treffen. Sie legen den Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft dann gemeinsam zurück und schließen auch gemeinsam das Juweliergeschäft auf.
Im Februar 2018 rutschte die Klägerin mit dem Fahrrad auf dem Weg zum Parkhaus auf Glatteis weg und erlitt einen Bruch des Wadenbeins. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung dieses Ereignisses als Wegeunfall mit der Begründung ab, dass die Klägerin sich zum Unfallzeitpunkt nicht auf dem direkten Weg zu ihrer Arbeitsstätte befunden habe.
Die Klägerin wandte gegen diese Entscheidung ein, dass sie sich aus Sicherheitsgründen immer mit ihrer Kollegin am Parkhaus treffe. In der mündlichen Verhandlung wurde auch der Eigentümer des Juweliergeschäfts als Zeuge befragt. Das Sozialgericht Osnabrück schloss sich schließlich der Einschätzung der Klägerin an und entschied, das ein Wegeunfall vorliegt.
Nach § 8 Abs. 2 Nummer 1 SGB VII sei auch der Weg zum Parkhaus als versicherter Weg anzusehen, da auch dieser Weg der versicherten Beschäftigung zuzurechnen ist. Die Klägerin hat den unmittelbaren Weg nicht aus eigenwirtschaftlichen Gründen verlassen. Sie wollte sich am nahegelegenen Parkhaus mit ihrer Kollegin, der Schlüsselträgerin und ihr gegenüber weisungsbefugten Geschäftsführerin, treffen. Der Weg vom Parkhaus zum Juweliergeschäft und auch das Öffnen des Juweliergeschäftes ist ein aus Sicherheitsaspekten dem Unternehmen dienender Grund und nicht nur eine nette Geste der Klägerin, so das Sozialgericht Osnabrück in seiner Urteilsbegründung. Die Begleitung sei objektiv sinnvoll, da der Gefahr eines Überfalls begegnet werden soll.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Sozialgericht Osnabrück, Urteil vom 16. Mai 2019, Aktenzeichen S 19 U 123/18