„Jeder Arbeitnehmer unterliegt einem relativen Alkoholverbot“ | Regel-Recht aktuell „Jeder Arbeitnehmer unterliegt einem relativen Alkoholverbot“ – Regel-Recht aktuell
Nachgefragt

„Jeder Arbeitnehmer unterliegt einem relativen Alkoholverbot“

Ende März sorgten zwei BMW-Mitarbeiter für Aufsehen. Die beiden Männer, die im Münchner Werk des Autoherstellers beschäftigt waren, hatten betrunken und bekifft für einen Produktionsstopp gesorgt. Das Fließband stand rund 40 Minuten lang still. Der Schaden beläuft sich laut BMW auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Doch ist der Konsum von Alkohol während der Arbeit überhaupt erlaubt? Regel Recht hat aktuell hat nachgefragt bei Maximilian Wittig, Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei Wittig Ünalp Rechtsanwälte.

Herr Wittig, kürzlich ist ein Vorfall bei BMW publik geworden, bei dem zwei betrunkene und wohl auch bekiffte Arbeiter für einen Produktionsstopp am Fließband gesorgt haben. Deshalb ganz grundsätzlich die Frage: Ist Alkohol auf der Arbeit erlaubt?

Ja, solange es nicht ausdrücklich verboten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergibt sich allein aus der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers kein absolutes Alkoholverbot. Im Betrieb kann aber, zum Beispiel aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung (oder Betriebsvereinbarung) ein absolutes Alkoholverbot bestehen. Dann ist jeder Alkoholgenuss am Arbeitsplatz untersagt, ebenso das alkoholisierte Erscheinen am Arbeitsplatz zu Beginn der Tätigkeit (Restalkohol) oder nach einer Pause.

Maximilian Wittig, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Versicherungsrecht der Kanzlei Wittig Ünalp Rechtsanwälte

Maximilian Wittig, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Versicherungsrecht der Kanzlei Wittig Ünalp Rechtsanwälte Foto: Wittig

Wie viel Alkohol ist erlaubt? Gibt es eine Promillegrenze, wie etwa beim Autofahren?

Jeder Arbeitnehmer unterliegt einem relativen Alkoholverbot, das ihn verpflichtet, seine Arbeitsfähigkeit nicht durch Alkoholgenuss zu beeinträchtigen. Ein Arbeitnehmer darf sich daher nicht in einen Zustand versetzen, in dem er seine Arbeit nicht mehr ordnungsgemäß leisten kann. Es gibt aber keine festen bzw. belastbaren Grenzwerte für eine Verletzung dieser Verpflichtung. Denn die Alkoholverträglichkeit ist in hohem Maße individuell. Ist der Alkoholgenuss nicht im Betrieb verboten, hat der Arbeitgeber ein Beweisproblem, denn er muss nachweisen, dass die Arbeit nicht mehr vom Arbeitnehmer aufgrund seiner Alkoholisierung geleistet werden kann.

Gibt es auch Berufe, bei denen Alkohol grundsätzlich verboten ist?

Ja. Für Arbeitnehmer, deren vertragliche Arbeitsleistung keinerlei Alkoholgenuss erlaubt, besteht ein absolutes Alkoholverbot. Dazu gehören beispielsweise Bus- oder Rettungsdienstfahrer, Piloten und Ärzte im Dienst oder Bereitschaftsdienst.

In vielen Firmen wird sogar Alkohol zum Verzerr angeboten, etwa in der Kantine oder in Getränkeautomaten. Darf der Alkohol getrunken werden?

Ist Alkoholgenuss verboten, darf man keinen Alkohol trinken, auch wenn der Geräteaufsteller Alkohol in die Geräte legt. Kaufen ist erlaubt. Ist Alkoholgenuss nicht verboten, gilt oben gesagtes: der Arbeitnehmer darf durch den Alkoholgenuss nicht seine Leistungsfähigkeit beeinträchtigen, da er anderenfalls eine Pflichtverletzung begeht.

Ein Kollege oder eine Kollegin hat Geburtstag oder rundes Firmenjubiläum und veranstaltet deshalb einen kleinen Umtrunk unter Kollegen. Ist solch ein Alkoholkonsum in Maßen erlaubt?

Wenn der Alkoholgenuss arbeitsvertraglich verboten ist, dann nicht, auch nicht in Maßen. Wer trinkt, riskiert arbeitsrechtliche Konsequenzen. Besser in solchen Fälle ist es, wenn die Mitarbeiter den Chef um eine Ausnahegenehmigung bitten, dann ist es kein Problem. Gleiches gilt für Firmenfeiern: Schenkt da der Arbeitgeber Alkohol aus, erlaubt er damit auch den Genuss.

Wenn ein Beschäftigter, nachdem er Alkohol konsumiert hat, einen Arbeitsunfall erleidet, ist er dann noch unfallversichert?

In der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich ja. Lediglich dann, wenn eine Volltrunkenheit zu einem vollständigen Leistungsausfall führt, sodass der Arbeitnehmer zu keiner betriebsförderlichen Arbeit mehr in der Lage ist, besteht von vornherein kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Feste Promillewerte hierfür existieren aber nicht. Ansonsten ist es eine Frage des Einzelfalls, ob eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, etwa bei einem Sturz wegen Trunkenheit, die allein wesentliche Unfallursache war, sodass Versicherungsschutz ebenfalls ausscheidet. In der privaten Unfallversicherung zahlt die Unfallversicherung nicht, wenn der Unfall auf die Alkohlbeeinträchtigung zurück zu führen ist.

Wer haftet, wenn ein Beschäftigter, nachdem er Alkohol konsumiert hat, Firmeneigentum kaputt macht?

Der Arbeitnehmer haftet auch dann für Schäden des Arbeitgebers, wenn er sie alkoholbedingt verursacht. Allerdings gelten auch hier – so wie immer im Arbeitsrecht – die besonderen Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs. Hiernach gelten für die Haftung des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis Haftungserleichterungen. Er haftet z.B. bei normaler Fahrlässigkeit nur anteilig, dass bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht den ganzen Schaden ersetzt verlangen kann, sondern nur einen Teil. Feste Haftungsquoten oder eine summenmäßige Haftungsbegrenzung gibt es aber nicht. Je fahrlässiger das Verhalten des Arbeitnehmers bei der Schadenverursachung war, desto höher ist die Haftungsquote. Je weniger schuldhaft der Arbeitnehmer gehandelt hat, desto geringer ist die Schadenquote, die der Arbeitnehmer tragen muss. Es kommt also auf den Einzelfall an. Wer aber nach 6 halbe Liter Bier und 0,8 Promille versucht, einen Kran zu bedienen und einen Schaden von 10.000 € verursacht, wird mit einer erheblichen Beteiligung an dem Schaden rechnen müssen.

Vielen Dank für das Interview!

Die Kanzlei Wittig Ünalp finden Sie hier: www.ra-wittig.de