„Scheinwerkverträge sind in Zukunft nicht mehr möglich“
Der Bundesstag hat kürzlich die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) beschlossen und damit einer Neuregelung von Leiharbeit und Werkverträgen zugestimmt. Wichtige Punkte der Reform sind: die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten, Equal Pay nach neun Monaten sowie die klare Kennzeichnung der Arbeitnehmerüberlassung im Vertrag – auch bei Werk- oder Dienstverträgen. Kritik für diesen Gesetzentwurf hagelt es unter anderem vom Interessensverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), der viel Bürokratie aber keine Vorteile für Zeitarbeitskräfte erkennt. Pressesprecher Wolfram Linke erklärt im Interview, weshalb das neue Gesetz den Namen Reform nicht verdient hat.
Am 1. April 2017 soll die AÜG-Reform in Kraft treten, die eine schärfere Regulierung und Bekämpfung des Missbrauchs von Zeitarbeit und Werkverträgen beinhaltet. Wie nötig ist eine solche Reform?
Das Ziel des Gesetzgebers, missbräuchliche Werkvertragsregelungen zu verhindern, wird grundsätzlich von allen Seiten unterstützt. Allerdings gilt schon heute, dass es nicht erlaubt ist, Werkverträge missbräuchlich einzusetzen, obwohl eigentlich eine Arbeitnehmerüberlassung intendiert ist. Für diesen Fall sieht das Gesetz bereits entsprechende Sanktionsmechanismen vor. Der Gesetzgeber schießt mit seinem neuen AÜG über das Ziel hinaus und beschränkt stattdessen die Flexibilität der Unternehmen. Aus Sicht des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmer (iGZ) ist das neue Gesetz unnötig. Für die Zeitarbeitsbranche besteht eine Tarifabdeckung von über 90 Prozent.
Die wichtigste Neuerung ist die gesetzliche Regelung zum Grundsatz Equal Pay – gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Was bedeutet das für die Arbeitgeber?
Für die Arbeitgeber ändert sich nur bei längeren Einsätzen etwas. Wird ein Mitarbeiter für weniger als neun Monate in einem Kundenbetrieb eingesetzt, fällt dieser Einsatz nicht in den Geltungsbereich der Equal-Pay-Regelung. Für alle Zeitarbeitsunternehmen, die Mitarbeiter mit längeren Einsätzen haben, entsteht ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand. Denn das konkrete Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers kann von Betrieb zu Betrieb trotz möglicherweise gleicher Aufgaben variieren. Zeitarbeitsfirmen müssen dann die Arbeitsentgelte jedes ihrer Kundenunternehmen für jeden Mitarbeiter einzeln nachvollziehen. Sofern tariflich vereinbarte Branchenzuschläge gezahlt werden, von denen der Arbeitnehmer schon nach sechs Wochen profitiert, muss ein vergleichbarer Lohn nach 15 Monaten gezahlt werden.
Welche Vor- und Nachteile hat die Einführung einer Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten?
Sowohl aus Arbeitnehmer- als auch aus Arbeitgebersicht gibt es nur Nachteile. Die Übernahme eines Zeitarbeitnehmers in die Stammbelegschaft wird wahrscheinlicher, je länger er im selben Betrieb eingesetzt wird. Durch die Begrenzung der Überlassung wird dem eher entgegengewirkt, anstatt die Übernahme zu unterstützen. Da die Höchstüberlassungsdauer arbeitsplatzbezogen ist, kann im schlechtesten Fall der Arbeitnehmer ausgetauscht werden. Der Arbeitnehmer verliert dann sein Gehaltsniveau. Equal Pay gilt erst nach neun Monaten, und bei einem neuen Einsatz muss er wieder mit einem niedrigeren Gehalt anfangen. Warum der Gesetzgeber längere Einsätze verhindern möchte, obwohl die die Arbeitnehmer durch die Equal Pay Regelung gleich bezahlt werden und besonders die längeren Einsätze hiervon profitieren könnten, erschließt sich nicht.
Setzt der Arbeitgeber nach 18 Monaten einen neuen Zeitarbeitnehmer auf dem gleichen Arbeitsplatz ein, muss er diesen erneut anlernen. Ihm entsteht damit ein Mehraufwand. Längere Einsätze wie Elternzeitvertretungen werden durch die Gesetzesänderung schwieriger umzusetzen sein. Anspruchsvolle projektbezogene Einsätze können kaum noch realisiert werden, da qualifiziertes Fachpersonal nicht einfach ersetzt werden kann. Bei Projekten von Ingenieuren beispielsweise stellt sich in Zukunft die Frage der Umsetzung.
Der Einsatz entliehener Arbeitnehmer als Streikbrecher soll verboten werden, sofern der Betrieb des Entleihers unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffen ist. Gab es denn in der Vergangenheit Zeitarbeiter, die als Streikbrecher eingesetzt wurden?
Der iGZ-DGB Tarifvertrag sieht bereits jetzt ein Verbot von Zeitarbeitskräften als Streikbrecher vor. Alle iGZ-Mitglieder müssen sich an diesen Tarifvertrag halten. Die Gesetzesänderung beschließt daher nur bestehendes Recht. Durch das gesetzliche Verbot greift der Gesetzgeber aber in die Arbeitskampfparität ein. Ob das angesichts des bestehenden allgemeinen Leistungsverweigerungsrechts des Zeitarbeitnehmers notwendig und gerechtfertigt ist, ist fraglich. Aus dem Streikrecht des Zeitarbeitnehmers wird so eine Streikpflicht.
Was ändert sich in Bezug auf den Abschluss von Werk und Dienstverträgen für die Unternehmen?
In Zukunft muss den Zeitarbeitnehmern klar mitgeteilt werden, wenn sie als Zeitarbeitnehmer eingesetzt werden. Diese Vorgehensweise soll eine klare Trennung von Werk- und Zeitverträgen unterstützen. Scheinwerkverträge sind in Zukunft nicht mehr möglich. Damit wird eine langjährige Forderung des iGZ umgesetzt.
Vielen Dank für das Interview!